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Monatszeitschrift AA-DACH

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AA-DACH, die Zeitschrift der deutschsprachigen Anonymen Alkoholiker erscheint monatlich und kann in der Printversion ausschließlich über unser gemeinsames Dienstbüro in Deutschland bezogen werden.

Bitte benutze dazu unseren Bestellschein und sende ihn ans Dienstbüro:

Mail: vertrieb@anonyme-alkoholiker.de

Post: Anonyme Alkoholiker - Literaturvertrieb, Postfach 1151, D-84122 Dingolfing

 

Der Lieferung liegt dann eine Rechung samt Erlagschein bei, mit der du bezahlen kannst.

 

Die Zusendung erfolgt in einem undurchsichtigen Kuvert mit dem neutralen Absender "Literaturversand". Es können nur Jahresabos (Kalenderjahr) bestellt werden.

Als eBook ist das AA-DACH auch im 6-Monats-Abo sowie als Einzelheft erhältlich.

Die in AA-DACH veröffentlichten Artikel sind Beiträge von AA-Freund*innen, die auf ihren Erfahrungen mit der Nüchternheit mithilfe des AA-Programms beruhen. Sie stellen keine Stellungnahme der Gemeinschaft der AA dar und können nicht auf AA als Ganzes bezogen werden, vielmehr präsentiert sich die AA-Gemeinschaft hier in all ihrer Verschiedenheit und Verbundenheit.

Wenn du selbst einen Beitrag schreiben möchtest, sende ihn bitte an:

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Post: Anonyme Alkoholiker - Redaktion AA-DACH, Postfach 1151, D-84122 Dingolfing

Hier findest du die kommenden Monatsthemen.

"Jung und Nüchtern"

...lautete das Sonderthema der Ausgabe vom April 2023.

Als Leseprobe aus dieser Ausgabe haben wir folgenden Artikel ausgewählt:

 

Rebellion, Kriminalität und Hass - mit 16 erreichte ich meinen Tiefpunkt.      

 

Ich bin ein Berliner. Geboren und aufgewachsen in Berlin Kreuzberg.  Wenn man mich fragt, wie meine Kindheit so war, würde ich darauf antworten, dass sie schön und blöd war.

Das Schöne war, dass ich zum Geburtstag und zu Weihnachten immer Geschenke bekommen habe, und dass ich immer genug zu essen und Spaß mit Freunden hatte. Viel gereist bin ich auch, dafür bin ich heute sehr dankbar.

Das Blöde war, dass meine Mutter und mein Stiefvater Alkoholiker sind (heute sind beide bei AA). Somit war meine Kindheit auch von Chaos, Drama, Gewalt und Schmerz geprägt. Der Alkoholismus war schon da, bevor ich selbst überhaupt mein erstes Schlückchen zu mir nehmen konnte.

Als Kind war ich immer sehr neugierig. Ich wollte wissen, warum mein Stiefvater alles gab, um am nächsten Morgen nach Alkohol zu stinken. Mit 12 Jahren verstand ich meinen Stiefvater. Alkohol schien mir das Beste, was mir je passiert ist. Endlich fühlte ich mich frei. Endlich konnte ich Valentin sein.

Heute frage ich mich immer, warum ich überhaupt getrunken habe. Ich habe noch keine Antwort gefunden, doch ich kann mittlerweile verstehen, was der Alkohol mir gegeben hat. Er hat mich von all meinem Leid erlöst, von meinen Ängsten befreit und war für mich ein Ausweg aus all dem "Scheiß des Lebens".

 

Meine Jugendzeit war von Rebellion, Kriminalität und Hass geprägt. Mit 16 Jahren erreichte ich meinen Tiefpunkt. Ich hatte Vorstrafen und wurde vor Gericht verurteilt. Ich hatte das Ziel mich von allen zu distanzieren und entweder langsam zu sterben oder alles zu tun, um in den Knast zu gehen, damit ich endlich meine „Ruhe“ habe. Das ganze Leben fühlte sich für mich wie ein großer Haufen Scheiße an. Zu der Zeit habe ich meine Freunde und Familie verletzt. Ich habe meine Freunde bestohlen, bereitete meiner Mutter schlaflose Nächte und hasste meinen Vater. Als meine Mutter erfuhr, dass ich Drogen nehme (Alkohol ist auch eine Droge!) und letztendlich ein chaotisches und rebellisches Leben führe, warf sie mich raus.

Nun stand ich da, mit 2 Müllsäcken voller Kleidung und wusste nicht wohin. „Ich brauche erstmal Entspannung von all dem Scheiß“ sagte ich mir und rauchte meinen Joint.

Ich war nie der Typ Alkoholiker, der jeden Tag 10 Flaschen Bier trank, doch sobald es Alkohol gab, war ich derjenige, der am meisten gesoffen hat. Ich hatte kein Limit.  Ich trank, bis es keinen Alkohol mehr gab oder bis mein Körper einfach nicht mehr konnte.

Ich erinnere mich noch, wie ich mit wildfremden Menschen unterwegs war, und wir alle keinen Schlafplatz hatten. Die Lösung war Alkohol. Ich schlief auf Parkbänken oder gar nicht. Ein Freund empfahl mir Kokain zu nehmen, um besser drauf zu sein und mehr Energie zu bekommen. Das waren die "besten" Empfehlungen zu der Zeit.

An Gott habe ich immer geglaubt, aber meine Beziehung zu ihm war nicht sonderlich nah. Ich ging sonntags in die Kirche und gleich nach dem Gottesdienst rauchte ich meinen „heiligen“ Joint. Der gab mir schließlich mehr Frieden als irgend so ein "Penner", der Kriege zulässt.

 

Nachdem ich mit einem Mädchen zusammen war und sie nach 2 Wochen ins Gesicht schlug, wurde mir klar, dass ich nicht fähig bin zu Lieben. Ich bin nicht fähig Partnerschaften einzugehen. Ich habe so etwas wie eine Behinderung. Ich bin Alkoholiker.

Alkoholiker zu sein heißt für mich nicht nur jemand zu sein, der ein Trink- oder Drogenproblem hat. Es bedeutet in meinen Augen, dass ich eine Behinderung habe. Meine Einstellung ist von Grund auf sehr Ich-bezogen. Immer muss es mir jeder recht machen und sobald etwas nicht so läuft, wie ich es will, bricht meine Welt zusammen und der Alkohol muss her.

Außerdem bin ich auch ein extrem süchtiger Mensch. Sobald mir etwas gefällt, will ich mehr davon. Sei es Sex, Arbeit, Geld, Freunde, Videospiele, Sport oder Netflix. Es spielt keine Rolle, ich will immer mehr.

Seitdem ich aber bei AA bin, muss ich nicht mehr so sein. Als ich 16 Jahre alt war, wurde ich nüchtern. Geholfen hat mir die Erkenntnis, dass ich mein Leben allein nicht auf die Reihe kriege. Daraus konnte ich die Entscheidung treffen, Hilfe anzunehmen und Menschen, die es geschafft haben, zuhören.

 

Ich bin mittlerweile im 4. Jahr meiner Nüchternheit und bin 20 Jahre alt. Mit meiner Geschichte möchte ich besonders junge Leute ansprechen und sie dazu inspirieren Hilfe anzunehmen und ein neues Leben zu beginnen.

Ich habe immer gedacht, dass sich mein Leben verändert hat, seitdem ich zu den Anonymen Alkoholikern gehöre. Doch bei einem Gespräch mit einem Freund, der auf das Bild meines Reisepasses reagierte, wurde mir klar, dass es sich nicht nur verändert hat.

Anstatt Veränderung habe ich ein neues Leben bekommen. AA hat mein Leben nicht verändert, sondern hat mir ein neues Leben gezeigt, und dafür bin ich unendlich dankbar.

 

Heute bin ich in der Lage meine Eltern, meine Freunde und mich selbst bedingungslos zu lieben. Ich darf glücklich sein und die Dinge, wie sie sind, annehmen. Ich muss nicht immer Recht haben und gleich zur Flasche greifen, weil mir etwas nicht passt. Ich kann mich entscheiden nur für heute glücklich und nüchtern zu sein und mit meiner Realität klarzukommen.

 

Ich bin Valentin und ich bin ein glücklicher Alkoholiker.

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