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Monatszeitschrift AA-DACH

AA-DACH Dezember 25 - Titelseite.jpg

AA-DACH, die Zeitschrift der deutschsprachigen Anonymen Alkoholiker erscheint monatlich und kann in der Printversion ausschließlich über unser gemeinsames Dienstbüro in Deutschland bezogen werden.

Bitte benutze dazu unseren Bestellschein und sende ihn ans Dienstbüro:

Mail: vertrieb@anonyme-alkoholiker.de

Post: Literaturvertrieb, Anonyme Alkoholiker Interessengemeinschaft e.V.

Frankfurter Allee 40, D-10247 Berlin

 

Der Lieferung liegt dann eine Rechung samt Erlagschein bei, mit der du bezahlen kannst.

 

Die Zusendung erfolgt in einem undurchsichtigen Kuvert mit dem neutralen Absender "Literaturversand". Es können nur Jahresabos (Kalenderjahr) bestellt werden.

Die in AA-DACH veröffentlichten Artikel sind Beiträge von AA-Freund*innen, die auf ihren Erfahrungen mit der Nüchternheit mithilfe des AA-Programms beruhen. Sie stellen keine Stellungnahme der Gemeinschaft der AA dar und können nicht auf AA als Ganzes bezogen werden, vielmehr präsentiert sich die AA-Gemeinschaft hier in all ihrer Verschiedenheit und Verbundenheit.

Wenn du selbst einen Beitrag schreiben möchtest, sende ihn bitte an:

Mail: AA-Redaktion@anonyme-alkoholiker.de

Post: Redaktion AA-DACH, Anonyme Alkoholiker Interessengemeinschft e.V., Frankfurter Allee 40, D-10247 Berlin

Hier findest du die kommenden Monatsthemen.

"SIE WERDEN WAHR, DIE VERSPRECHEN"

...lautete das Monatsthema der Ausgabe vom November 2025.

 

Als Leseprobe für die Ausgabe Dezember 2025 haben wir folgenden Artikel ausgewählt:

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Eine neue Ehrlichkeit zog ein

 

Die Familie „danach“ ist nichts Fertiges, nichts Feststehendes, sondern ein Prozess, der andauert. Nun bin ich schon 31 Jahre lang trocken, und es gibt Momente, da fühle ich mich immer noch unsicher, will alles richtig machen – und taste mich voran. „Richtig“ gibt es nicht. Ich gebe mein Bestes.

Als ich trocken werden durfte, war der Gedanke sofort da: Es soll so schnell wie möglich alles wieder gut werden, ich muss mich emsig bemühen. Für jedes meiner beiden Kinder buchte ich eine Reise; nur sie und ich, ihre frisch trockene Mutter, damit sie rasch positive Erlebnisse mit mir haben sollten. Ich wollte mit ihnen reden, mich bei ihnen entschuldigen; erklären, dass ich krank war (nicht böse); ihnen alles über AA erzählen, ihnen Alateen und Al-Anon ans Herz legen. Ich wollte Absolution.

Die beiden waren aber erst 9 und 11 Jahre alt. Sie zeigten mir unmissverständlich, dass es für sie zu früh war. Ich sollte warten, bis sie selbst die Fragen stellen würden; bis dahin beobachteten sie mich erst einmal. Zu oft schon hatte ich Dinge versprochen und nicht gehalten; zu viele Male gelobt, dass ich nicht wieder trinken würde, jedenfalls nicht so viel. Zu oft hatten sie mich als hilflose Person gesehen. Verloren gegangenes Vertrauen baut sich nicht über Nacht wieder auf; das dauert. So übte sich unsere ganze Familie in Geduld. Was ich von nun an lebte, ausstrahlte; das zählte. Nicht, was ich wortreich (ver)sprach.

 

Irgendwann kamen die Fragen

 

Warum AA denn anonym seien, wollten die Kinder eines Tages wissen, das sei doch immerhin eine gute Sache. Darüber müsse man doch offen reden können; zum Beispiel im Schulunterricht, wo keiner wirklich Ahnung von Sucht hatte (meinten die Kinder) und manche Lehrer morgens auch mit einer „Fahne“ erschienen. Dafür hatten sie ein feines Näschen. Und plötzlich wollten sie vieles wissen. Eine neue Ehrlichkeit zog ein. Dass ich zu AA-Meetings ging, wurde fester Bestandteil unseres Alltags. Kleine Meetings fanden bei uns am Küchentisch statt. So bestätigte es mir auch mein Sponsor, den ich erst jetzt so nenne; damals gab er mir einfach seine Telefonnummer und sagte, ich könne ihn jederzeit anrufen. Ganz einfach. Nach einiger Zeit lernte er meine Familie kennen; ab da war er auch Ansprechpartner für sie.

Noch über ein Jahrzehnt wohnten wir zusammen, dann zogen die Kinder aus und kehrten nur zu Besuch zurück. Sie wussten, bei uns gibt es keinen Alkohol, so brachten sie auch keinen mit. Die Lebensphasen wechselten; jeder hatte so seine üblichen Dramen und Herausforderungen zu bestehen. Es kam der Tag, da war ein Konflikt zu bewältigen … und noch einer … und noch einer. Wie oft saß ich weinend im Meeting und schluchzte: „Ich will in meiner Familie keine Konflikte haben“. Einmal kam die trockene Antwort darauf: „Ich wollte auch kein Alkoholiker werden.“

Mein Anspruch an mich selbst ist enorm: Durch Psychotherapie und Selbstanalyse; und durch die gründliche und furchtlose Inventur war mir vieles klar geworden, was ich so nicht wiederholen wollte. Mag sein, dass meine Herkunftsfamilie „versagt“ hatte; aber die heutige doch nicht, für die ich nun die Verantwortung spürte!

 

Ich muss zu mir stehen!

 

Aber so funktioniert das nicht, jedenfalls nicht bei mir. Auch ich musste mich vielem stellen, was eher durchgestanden als harmonisch genossen werden durfte. Meinen Rücken gerade machen und die Wiedergutmachung nicht so verstehen, dass ich alles mit mir geschehen lasse. Das war für mich im Grunde das Allerschwerste: Nicht auf neuer Ebene „die Liebe“, „die Gute“ zu sein, und zwar immer! Sondern zu mir zu stehen, wenn ich Forderungen nach allzeit offenem Haus, Übernachtungen, Hilfe und Anwesenheit auch mal nicht erfüllen konnte oder wollte. Meinen erwachsenen Kindern und meinen Enkelkindern gegenüber ist das noch komplizierter für mich als in Bezug auf meinen Ehemann. Es heißt ja oft, Partnerschaft sei die Königsklasse für einen trockenen Alkoholiker. (Stimmt ja auch!)

Ich empfinde Mutter-Tochter beziehungsweise „Mama und ihre Nachkommen“ oft als noch viel fordernder. Zu meiner Enkelin Nein sagen, wenn sie immer noch einmal mit in meinem schmalen federnden Bett schlafen will, obwohl sie schon groß ist, fast so ausgewachsen wie ich selber; das kostet mich viel Schweiß und Grübeleien. Ich brauche meinen Schlaf. Aber ein Teil von mir will es am liebsten immer noch ihnen allen recht machen, damit sie merken, wie lieb ich sie habe – und (ja, was eigentlich?) gut von mir denken … Ich will mich zurückstellen und aufopfern, damit alles schön ist. So wie viele Frauen vor mir, die an sich selbst zuletzt gedacht haben und mir auch jetzt noch anraten: „Das muss man aushalten!“ Ich habe es erlebt, dass Saufdruck kam, als ich versuchte, alles auszuhalten; das war für mich dann die „Alarmstufe Rot“.

 

Innere Haken und Ösen

 

Wenn ich trocken Familie leben möchte, mit allem Drum und Dran, dann stellen sich auf dieser Bühne hautnah alle meine inneren „Haken und Ösen“ vor. Es ist anstrengend, aber eben auch eine gute Gelegenheit für Inventur, da ich alles sofort spüre und nicht davor flüchten kann.

Ich bin glücklich, dass ich trocken bei allen drei Enkelkindern zu ihrer Schuleinführung dabei sein durfte. Bei meinen Kindern war ich betrunken an diesen Tagen; zwar körperlich anwesend, aber doch ein Störfaktor und immer irgendwie unangenehm auffällig. Das kann ich nicht mehr ändern. Es tut immer noch weh, da hinzusehen und damit zu leben. Wenn der Schmerz darüber kommt, möchte ich am liebsten eine Schaufel nehmen, alles umgraben und mit frischer Erde überdecken; meine Seele ein für alle Male davon befreien.

Aber so funktioniert das eben nicht. Denn ich empfinde es als lebenslangen Prozess, dem ich mich mithilfe der Meetings, unseres Programms und meiner Höheren Macht täglich anvertraue und versuche, mich darin zurechtzufinden und im günstigsten Falle daran zu wachsen wie ein Pflänzchen in gutem Mutterboden.

 

Katrin, eine Alkoholikerin, heute trocken

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